Dsssssssit – Reißverschluss auf. Es muss schon spät am Tag sein, die Sonne (soweit man ihre Position durch die dichten Nebelschwaden erahnen kann) hat ihren „Höhepunkt“ schon länger hinter sich, ein frischer Wind weht den Strand entlang und von der gegenüberliegenden Küste ist nicht viel zu sehen. Ungemütlicher geht es wohl kaum. Dsssssssit – Reißverschluss wieder zu.
Aber irgendwann treibt es einen dann ja doch aus dem Zelt. Sei es um eine Notdurft zu verrichten, die Beine zu bewegen, oder aus Neugier auf die neue Umgebung.
Nach dem Frühstück raffen wir uns aller Trägheit und Müdigkeit zum Trotz auf und machen uns auf den Weg ins Wimandalen. Leider ein ziemlich unspektakulärer Ausflug: Außer Nebel sehen wir nur einen Bach und Tundra, das Wetter ist einfach fies. Wir drehen um, als die feinen Tröpfchen immer aufdringlicher werden und wir glauben im Regen zu stehen. Aber auf dem Weg zurück zum Lager haben wir eine grandiose Idee…
Zu irgendwas muss das ganze Treibholz am Strand des Diabasodden doch gut sein. Wir wollen die Nacht im Wilden Norden mit Lagerfeuer-Romantik genießen!
Ein Feuer? Mit angeschwemmtem Holz? Bei Nebel, der schon fast Regen ist? Auf Spitzbergen kein Problem, jetzt kommt einem die steife Brise endlich mal zu Gute. Der (fast) permanent eisig blasende Wind trocknet das Treibgut auch bei der aktuell enorm hohen Luftfeuchtigkeit so fix, dass wir uns nach dem zweiten oder dritten Anzündeversuch (so lange brauchen wir, um aus dicken Stämmen eine Barrikade aufzutürmen, die dem immer wieder Schlupflöcher findenden Wind Paroli bieten kann) tatsächlich an ein angenehm warm loderndes Feuer setzen können. Nach den vergangenen Strapazen ein kaum an Wohlfühlqualität zu überbietender Moment.
Unsere Aktion sorgt augenscheinlich für starke Neugier bei den Tieren. Ein kleiner Polarfuchs, sogar schon im strahlend weißen Winterfell und dadurch auch bei dunkler Nacht gut in der Landschaft zu erkennen, läuft immer wieder an uns vorbei. Mit jeder seiner Runden kommt er ein gutes Stück näher, bleibt alle paar Meter stehen und schaut sich unser Treiben geduldig an. Für einen kurzen Augenblick sehen wir ihn schon an einem Spieß hängend über unserem Feuer seine Runden drehen. Das scheint er zu bemerken – und sucht das Weite.
Wenig später machen wir auf der Wasseroberfläche einen dunklen Fleck aus. Eisbären sollen ja, wenn sie denn kommen, eher vom Wasser her kommen. Großartig… Um genau erkennen zu können, was dort schwimmt, haben wir jedoch zu lange ins Feuer geschaut – beim Blick in die Dunkelheit sehen wir nur schemenhaft etwas, das durchaus ein Bärenkopf sein könnte. Für einen Vogel ist es definitiv zu groß, für den gefürchteten Polarbär bleibt es aber zu lange auf demselben Fleck. Bleibt eigentlich nur noch eins: eine Robbe. Dass Robben sehr geduldige Beobachter sind, war ja schon auf der Isfjord-Umrundung zu sehen. Leider kann man das Tier auch auf einem schnell gemachten Foto nicht besser erkennen. Irgendwann ist der geheimnisvolle Fleck auf dem Fjord spurlos verschwunden, war wohl wirklich eine Robbe.
Schließlich ist es die Vernunft, die unserem gemütlichen Abend ein Ende setzt. Da die Natur uns inzwischen wieder in ein enges Tag-Nacht-Korsett zwängt, sehen wir uns leider gezwungen auf die große Freiheit des „wir gehen erst schlafen wenn wir müde sind“ zu verzichten. Denn nachts sieht man nichts von Spitzbergens Landschaft, und das Risiko beim Wandern in der Dunkelheit über einen Stein zu stolpern oder in eine tiefe Mulde der Tundra zu treten, ist einfach viel zu groß.
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