Der Tag vor dem Start, morgen soll es losgehen. Noch einmal rechnen wir Kalorien zusammen, zählen Mahlzeiten und überlegen, ob wir um Mitternacht noch einen Sonnentanz aufführen sollen – schaden würde es sicher nicht.
Alles ist beisammen, nur eine zweite Kartusche Gas zum Kochen wollen wir zur Sicherheit noch holen. Wir machen uns also auf den Weg nach Longyearbyen, zu einem der vielen Outdoorläden. Weit kommen wir aber nicht. Noch bevor wir den Campingplatz verlassen haben, hören wir die aufgeregten Berichte über einen Eisbären in unmittelbarer Nähe der Stadt. Auf der gegenüberliegenden Seite des Adventfjords, zwischen Advent City und Moskushamn, soll er sich rumtreiben; 3,5 Kilometer Luftlinie von Longyearbyen entfernt und genau dort, wo uns die geplante Wanderroute in ein paar Tagen entlangführen wird. Na prima.
Das Abenteuer beginnt
Unbeeindruckt von den Ereignissen des Vortages schlafen wir erst einmal aus und frühstücken gemütlich. Denn wer will schon müde eine Wanderung starten? Außerdem wird es für eine ganze Weile der letzte Morgen mit dem Komfort einer richtigen Küche mit Strom und fließendem Wasser sein, das muss genossen werden!
Dass es ähnlich faul weitergeht, stimmt uns sehr zuversichtlich auf eine entspannte Wanderung: Um nicht 14 Kilometer (vier bis Longyearbyen, zehn von dort bis zum Ostende der Straße) öde der Straße entlang laufen zu müssen, bitten wir Andreas um eine kleine Transferfahrt.
Unser Startpunkt ist das Svalbard Villmarkssenter, einer Hundeschlittenstation, der wir bereits in den ersten Tagen auf Spitzbergen einen Besuch abgestattet haben. Dort schnallen wir uns die schweren Rucksäcke auf den Rücken und – ganz wichtig – verabschieden uns von Uhrzeit und Datum. Die kommenden Tage wollen wir uns keinen Stress machen, „Frühstück um 8.00 Uhr!“ wird es nicht geben und auch „Es ist zwar noch niemand müde, aber wir müssen uns jetzt hinlegen!“ wollen wir nicht hören.
Laufen wenn wir weiter wollen, essen wenn wir Hunger haben und schlafen wenn wir müde sind, da sind wir uns einig.
Die Strecke durchs Adventdalen ist harmlos, die Tundra verwöhnt unsere Füße und Rücken. Und auch ohne den Sonnentanz meint es das Wetter gut mit uns. Der strahlend blaue Himmel passt perfekt zum matten Grün des Bodens und den rötlich-braunen Hängen. Die Landschaft lenkt uns so sehr ab, dass wir kaum bemerken wie schnell wir vorankommen.
Nach acht Kilometern und einer gefühlten halben Stunde Laufzeit stehen wir kurz vor dem Innerhytta-Pingo. Ebener Boden, sauberes Trinkwasser in unmittelbarer Nähe und eine wunderschöne Aussicht über das Adventdalen und ins Helvetiadalen laden uns zum Verweilen ein. Da bleiben wir doch gerne!
Lager beziehen, Wasser holen, „Feuer“ machen – das übliche Programm. Bald kriecht uns die Müdigkeit in die Knochen und wir in die Schlafsäcke. Gute Nacht.
Ab in die Eiszeit
Am nächsten Morgen die Ernüchterung: Das Bilderbuchwetter war gestern, heute steht Regen auf dem Programm. Doch das bringt uns nicht aus der Ruhe, vielleicht klart es ja auf, bis wir gefrühstückt haben. Oder nach dem Mittagessen? Abendessen?
Wir verbringen den Tag damit, die Schneefallgrenze am Hang des Helvetiafjellets dabei zu beobachten, wie sie unaufhaltsam immer weiter sinkt. In Gedanken führen wir wilde Schneeballschlachten am kommenden Tag und wollen einen Schneemann bauen. Am Schnee wird es sicher nicht scheitern, wenn es so weiter geht. Das einzige Problem: Wir haben keine Mohrrübe dabei!
Schnee. Regen. Schneeregen. Immer wieder ein Blick nach draußen.
Wind. Böen. Alles wackelt.
Eis. Regen. Eisregen. Wer kann mit der ausgeatmeten Luft Ringe bilden?
Der Wind lässt nach!
Hagel. Graupel. Schauern. Jemand müsste mal Wasser holen, dann könnten wir Tee kochen.
Mit voller Stärke ist der Wind zurück.
Schnee. Eis. Hagel. Nein, so macht das keinen Spaß. Aber morgen wird alles besser!
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